Ivory MacIntyre
Autorin für Phantastik und Horror

 Kelch der Portale

Inhalt

Diana und Kellan haben sich nach den Ereignissen in Old Fenhole auf den Weg gemacht, die entführten Kinder zu suchen. Dabei kommen sie einem Kinderfänger auf die Schliche, der in irgendeiner Weise mit den Clanskindern in Verbindung zu stehen scheint.
Dagegen versucht Cole die Spur von Cathleen Jones aufzunehmen, denn die Hexe ist wie vom Erdboden verschluckt. Unerwartete Hilfe kommt von der Paladin Hedda.
Für Nell hat sich Fenhole als Holzweg erwiesen und so heftet sie sich an die Fersen von Paladin Reece, denn nach wie vor sucht sie eine Antwort auf die Frage, wer ihre Eltern ermordet hat. Jedoch mehren sich die Hinweise, dass ihre Eltern nicht das waren, was Nell bisher geglaubt hatte.

Leseprobe

»Sie sind immer noch hier?« Pater Mitford steckte den Kopf durch die Tür, wo der junge Mann schmutzige Putzlappen in einen Korb warf.
»Mr. Poots hatte sich mit den Kerzen verspätet. Es hat ein wenig gedau­ert«, erklärte der Mann entschuldigend. »Ich konnte erst danach wischen.«
»Ach, Mr. Rankin, Sie brauchen sich wirklich nicht entschuldigen.« Pater Mitford lächelte und schob die Tür gänzlich auf. »Sie wissen doch, ich bin immer hier, wenn etwas sein sollte.«
Rankin lächelte zurück und legte den letzten Putzlappen in den Korb, den er anschließend zusammenschnürte. »Ich bin gleich fertig.«
»Nun lassen Sie das stehen und gehen Sie nach Hause.« Pater Mitford zog eine kleine silberne Taschenuhr hervor. »Es ist schon halb zwei und Kardinal Tillinger wird erst gegen elf Uhr eintreffen.«
»Ja, Pater Mitford, das weiß ich.« Rankin seufzte leise und rieb sich die Hände sauber. Heute hatte er wirklich viel aufräumen müssen, denn viele Menschen waren mit Fragen gekommen und hatten unter dem Altar nach Antworten gesucht. Seit diese Gerüchte aus Fenhole ihre Kreise zogen, schienen die Bürger der Stadt verunsichert. »Pater, kann ich Sie etwas fragen?«
Mitford zog die Stirn in Falten und nickte. »Natürlich. Was kann ich für Sie tun?«
»In letzter Zeit sind so viele Menschen hier.«
»Das ist schön«, nickte der Pater. »Die Bürger erinnern sich wieder an die heiligen Worte, nachdem leider immer mehr der Kirche den Rücken zugewandt haben. In den letzten Jahren verfiel die Moral und die Sünde kroch durch die Straßen. Die Menschen verloren ihren Sinn und die Nächstenliebe und gaben sich dem Egoismus hin. Sie fürchteten keinen Teufel und kein Verderben, das im Begehren nach rein materiellen Dingen lauert. Rücksichtslos und eigennützig sind sie geworden, doch jetzt kommt das große Rückenbesinnen.«
»Natürlich, Pater.« Rankin nickte eifrig. »Aber ich frage mich, ob das mit dem zusammenhängt, was in Fenhole geschehen ist.«
Pater Mitford hob die Schultern. »Und wenn schon. Vielleicht… Viel­leicht brauchte es dieses Ereignis, um die Menschen daran zu erinnern, was wirklich von Bedeutung ist. Selbst die Gottlosen benötigen etwas, was ihnen einen Lebenssinn gibt, und deshalb laufen sie wie verirrte Schafe herum und schließen sich in ihrer Not auch dem schlimmsten Schäfer an, den sie finden können. Okkultismus ist eine giftige Spinne, die einen in Netzen aus falschen Versprechungen gefangen hält. Es ist gut, dass die Schäfchen dies erkannt haben und zurück in die Gotteshäuser strömen, denn nur Gott ist der einzig wahre Hirte.«
Rankin lächelte. »Natürlich, Pater. Sie haben Recht.«
»Nun lassen Sie das stehen und kommen Sie.« Mitford hob die Hand und winkte Rankin mit einem warmen Lächeln zu sich und aus der Kam­mer mit den ganzen Putzutensilien heraus. In der Sakristei und den dazu­gehörigen privaten Räumlichkeiten der Cathedral of the Holy Trinity war es inzwischen leer und dunkel. Nur ein paar Petroleumlampen brannten noch in den Gängen.
Aber verlassen war das Gotteshaus deswegen noch lange nicht. Zwei Gardisten hielten wie immer an der Pforte der Kathedrale Wache, denn es gab genügend Diebe, die nicht davor zurückschrecken würden, die golde­nen Kerzenleuchter und Figuren zu stehlen.
Weitere Gardisten patrouillierten stets durch die Kellergewölbe. Kardi­nal Tillinger legte besonderen Wert darauf, dass das Lager der Inquisito­ren geschützt blieb und außer Miss Fjella niemand dort einfach ein und aus ging.
»Was wollte der Paladin heute?«, fragte Rankin beiläufig, während er die Tür abschloss.
»Nur mit Miss Fjella reden. Er brauchte nur Informationen, aber keines der dortigen Artefakte«, antwortete Pater Mitford.
Rankin wusste nicht, welche Artefakte die Inquisition dort aufbewahrte, aber er hatte mitbekommen, dass sich Kardinal Tillinger immer wieder über Bestandsänderungen in Kenntnis setzen ließ. Manchmal, so viel hatte Rankin ebenfalls erfahren, ließ er ein Artefakt zum Vatikan schicken. Es musste wohl etwas mit der Bedeutung dieser Objekte zu tun haben; eine Bedeutung, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Genauso wie Sidhe nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hatten, was die Ereignisse in Fenhole um ein vielfaches dramatischer machte.
In den letzten zweihundert Jahren hatte es nie einen solch organisierten Angriff der Sidhe auf die Menschen gegeben.
Er, als kleiner Akolyth, hatte nicht den Rang, um zum eingeweihten Klerus zu gehören. Aber er konnte sich gut vorstellen, dass Kardinal Tillinger von Lux Uriel verlangen würde, bei den Sidhe ein Exempel zu statuieren.
Immerhin ging es um Old Fenhole, die unheilvolle Ruinenstadt, über die die Kirche schon lange den Mantel des Schweigens gelegt hatte.
»Pater Mitford, glauben Sie, dass die Sidhe irgendein Ziel verfolgt haben?«, fragte Rankin, während sie beide zur Halle der Kathedrale gingen.
»Mit Sicherheit.« Der Pater nickte. »Sehr sicher sogar.« Er schwieg.
Rankin warf dem alten Mann einen Seitenblick zu und hoffte, dass er weiterreden würde.
Nach gut einer Minute fuhr der Pater auch fort: »Aber denken Sie nicht so viel darüber nach. Die Sidhe haben ihre Strafe bekommen.«
So? Rankin konnte seine Überraschung nicht verbergen. Die Sidhe wur­den schon bestraft? Von wem? Er hatte nicht mitbekommen, dass der Waffenschmied vermehrt Osman-Patronen herstellen musste. Über so et­was wurde Buch geführt, denn auch die Gardisten trugen diese Munition bei sich, und die Kirche finanzierte einen Teil dieser Waffen mit.
Das Echo eines Schusses hallte zu den beiden Männern hinüber, fast, als habe Rankin mit den Gedanken böse Geister herauf beschworen. Aber ein Schuss? Hier? Die Gardisten waren perfekt ausgebildet, damit weder Sidhe, noch Hexen in diese heiligen Hallen eindringen konnten.
»Was war das?«, murmelte Rankin.
Pater Mitford lauschte und der nächste Schuss ließ ihn sichtbar zusam­menfahren.
Ein Angriff! Gehetzt sah sich Rankin um, ob irgendwo etwas Verdächti­ges zu sehen war. Wo wurde gekämpft?!
»Wachen!«, rief Mitford in die große Halle der Kathedrale. »Wachen! Eindringlinge!«
Die beiden Gardisten hatten die Pforte schon verschlossen und waren auf dem Weg zu den Kellergewölben, von wo die Schüsse herauf hallten. Mit gezogenen Gewehren rannten sie die Treppe hinab.
Immer mehr Schüsse waren zu hören und nun auch Geschrei und alar­miertes Rufen.
Wie konnte das sein? Wo kam der Angreifer her? Die Kellergewölbe und auch die Katakomben endeten in Sackgassen. Niemand kam von dort herein, das war unmöglich!
Es gab nur die Pforte und eine weitere Tür auf der anderen Seite der Kathedrale, aber die war massiv und mehrfach verschlossen. Außerdem war Rankin erst vor einer Stunde an der Tür vorbeigelaufen und hatte sie gewohnheitsmäßig kontrolliert.
»Das muss ein Verräter sein!« Mitford stand der Schweiß auf der Stirn.
»Wie sollte der das überleben?« Die Gardisten waren ausgebildete Sol­daten und niemand hielt diesem Kugelhagel stand. Selbst wenn der An­greifer ein Sidhe war, dann mussten die Osman-Kugeln ihn erledigen. Oder waren es mehrere Eindringlinge?
Eigentlich wollte Rankin vorschlagen, dass sie sich in Sicherheit brach­ten und die Gardisten ihre Arbeit erledigen ließen, doch Pater Mitford be­schleunigte seinen Gang, dann rannte er.
»Das Buch! Das Lager! Kommen Sie!«, rief Mitford.
»Pater!« Rankin blieb nichts anderes übrig, als dem Pater zu folgen. Das war doch lebensmüde!
Der Geruch von Schießpulver kam ihnen auf der Treppe entgegen, ver­mischt mit dem Geruch von Feuer. Es brannte!
Der Kampflärm ebbte ab und eine gespenstische Stille breitete sich aus. Aber die Hoffnung, dass der oder die Sidhe getötet worden waren, verflog recht schnell, als sie das Ende der Treppe erreichten, wo ein Gardist mit er­hobenem Gewehr stand. »Pater! Mr. Rankin! Passen Sie auf! Bleiben Sie oben!«
»Wer ist das? Wer ist hier eingedrungen?«, fragte Pater Mitford so­gleich.
»Ein Sidhe!«
Warum lebt der noch? Kein Sidhe überlebt eine Osmankugel!
Rankin öffnete den Mund und wollte darauf aufmerksam machen, aber Pater Mitford redete schnell weiter:
»Das kann nicht sein? Wo soll der eingedrungen sein?«
»Die Katakomben. Er schlug dort als Erstes zu«, antwortete der Gardist.
Rankin sah in die große Halle hinein, in der Rauchschwaden aus den Katakomben heraufzogen und die Sicht auf die weiteren Gänge versperrte. Die Gardisten waren in ihren kräftig gefärbten Uniformen im Rauch zu sehen, wie sie sich hinter den dicken Säulen positioniert hatten.
Ihre Gewehre hatten sie auf den Zugang zu den Katakomben gerichtet. Man hatte die schwere Eisentür eilig verschlossen, doch die Anspannung lag spürbar in der Luft und drückte einem die Kehle zu.
Der Angreifer lebte noch und in den Gesichtern der Gardisten standen Sorge und Angst.
Rankins Herz begann heftig zu schlagen.
»Rankin. Kommen Sie«, forderte Mitford ihn auf und lief los.
»Pater! Seien Sie nicht töricht!«, rief der Gardist noch.
»Ich muss das Buch retten!«
»Pater!« Rankin lief ihm hinterher. »Pater, warten Sie! Wenn ein Sidhe an den Gardisten vorbeikommt, dann stimmt da etwas nicht!«
»Glauben Sie, ich wüsste das nicht?!«, entgegnete Pater Mitford gereizt. »Die haben es auf das Buch abgesehen!«
»Welches Buch? Pater! Welches Buch?!«
Zu einer Antwort kam Mitford nicht, denn schon knallte es heftig hinter ihnen. Erschrocken brachten sich Mitford und Rankin hinter einer Säule in Sicherheit. Die anwesenden Gardisten schrien Befehle, dann knallte es er­neut und das Kreischen von Metall dröhnte durch die Hallen.
Sogleich brach ein Gewitter aus Gewehrfeuer los, als die Gardisten wie von Sinnen auf den Zugang zu den Katakomben schossen. Doch keine Kugel schien den Angreifer zu stoppen, denn er lief in kräftigen Schritten die Treppe hinauf und war als tiefschwarze Silhouette im Rauch des Schwarzpulvers zu sehen.
Auf seinem fast sieben Fuß großen Körper glommen feine bläuliche Ornamente, während die Augen wie zwei böse grünblaue Sterne leuchte­ten. Eine Krone aus Hörnern zierte den Schädel und das lippenlose Maul war bestückt mit messerscharfen dreieckigen Zähnen. Stacheln und Dor­nen ragten hier und da aus der Haut und auf seinem Rücken erstreckte sich ein schauriges schwarzes Segel aus Knochenspitzen, was seine Gestalt noch monströser und gewaltiger wirken ließ.
Drei Gardisten schossen auf den Sidhe und versuchten ihn verzweifelt zu Fall zu bringen. Die Kugeln schlugen in dem schwarzen Körper ein, aber da war kein Blut. Es schien so, als bestünde die Kreatur im Inneren nur aus … aus Kristall, oder Eis, welches im gleichen Licht erstrahlte wie die Ornamente. Mit jedem Treffer splitterte die grüneblaue Substanz und verteilte glimmende Funken auf dem Boden, wo sie sich rasch auflösten.
Ungebremst rannte die Bestie zum nächsten Gardisten, packte den von Entsetzen starren Mann und zerschmetterte dessen Schädel an der Säule, als wäre er ein rohes Ei.
Rankin hatte so ein Wesen noch nie zuvor gesehen! Was um Himmels­willen war das?!
Die Gardisten schossen mit normalen Flinten und den mit Osman­kugeln bestückten Revolvern auf das riesige Ungetüm, doch nichts schien es aufhalten zu können. Es suchte sich gezielt den nächsten Gardisten und riss ihm mit einem einzigen Krallenhieb das Gesicht weg. Ein Regen aus Blut und Fleisch benetzte den Boden.
»Es stirbt nicht!«, schrie einer der Gardisten verzweifelt. »Warum stirbt es nicht!?«
»Schieß ins Gesicht!«, rief jemand anderes.
Die Kreatur gab kein einziges Geräusch von, als die Kugel es im Gesicht traf und dort eine glimmende Kerbe hinterließ – fast, als wäre sie leblos, wie eine Statue. Trotz des Qualms fand sie den Schützen und zog den kreischenden Mann hinter der Säule hervor.
Rankin wollte schreien, dann wurde er von Mitford gepackt und weiter­gezogen.
»Wir müssen hier weg!«, zischte der Pater.
Geduckt rannten sie in den Flur hinein, bis sie die verschlossene Tür zu den Räumlichkeiten von Lux Uriel erreichten.
Mitford begann gegen die Tür zu hämmern. »Miss Fjella! Miss Fjella, machen Sie auf!«
Fjella schwieg.
»Aufmachen!«, befahl Mitford lautstark und schlug mit der Faust gegen die Tür.
»Helfen Sie uns!«, versuchte Rankin ebenfalls sein Glück, doch auch das konnte Fjella nicht dazu bewegen, die Tür zu öffnen.
»Miss Fjella!!«
Rankin sah gehetzt den Flur zurück. Durch den Qualm kam etwas auf sie zugerannt, dann tauchten die glühenden Augen im Dunkeln auf. »Pater! Weg hier!« Er zog Mitford einfach mit sich, weg von der Tür und rein in eine steinerne Kammer, in der rechts und links zwei prächtige Sar­kophage vergangener Bischöfe standen. Dort stürzten beide Männer zu Boden und voller Überraschung blickten sie dabei in das schreckensblei­che Gesicht eines Gardisten, der sich hier unehrenhaft versteckt hielt.
Jetzt war jedoch nicht der Augenblick, um den ängstlichen Mann zu­rechtzuweisen. Sie alle waren von der Situation überrumpelt worden.
Mehrere heftige Schläge im Flur ließen Holz splittern, dann war das Ge­schrei einer Frau zu hören. Fjella!
»Pater!« Rankin sah Pater Mitford hilfesuchend an. Sie konnten doch die junge Frau nicht ihrem Schicksal überlassen!
»Tun Sie was!«, fuhr Pater Mitford den Gardisten an, der jedoch mit schreckgeweiteten Augen nur dasaß und die Worte gar nicht zu hören schien.
»Herr im Himmel, verzeih mir!« Der Pater entriss dem Gardisten den Revolver und lief zum Lager.
»Mitford!«, rief Rankin und versuchte den Pater noch an der Soutane zu ergreifen, doch zu spät. Mitford rannte in seinen Untergang! Er musste ihn aufhalten! Rankin hechtete hinter ihm her.
Die schwere Tür war zerschmettert und als die beiden Männer hinein­liefen, mussten sie ihre Gesichter gegen den dichten Rauch schützen. Ein Feuer fraß sich durch die Bücherregale, da Fjella wohl in ihrer Not mit einer Petroleumlampe nach dem schwarzen Teufel geworfen hatte. Von der Inquisitorin fehlte jede Spur, und Rankin hoffte, dass sie es geschafft hatte, hinauszufliehen.
»Die Bücher!«, rief Mitford betroffen und lief ohne zu zögern an dem Monster vorbei, welches an den Regalen mit den Artefakten stand und et­was zu suchen schien. Im flackernden Licht des wachsenden Feuers be­merkte Rankin die Kleidungsfetzen, die dem Monstrum um die muskulö­sen Schultern hingen. Ebenso trug es eine von Schusswunden und Sta­cheln durchlöcherte Lederhose.
Es musste ein Sidhe sein, doch warum reagierte er dann nicht auf die Osmankugeln? Dutzende Einschusslöcher überzogen seinen Körper, ohne dass es ihn beeinträchtigte.
Der Teufel zog die Metallkiste aus dem Regal und drehte sich zu Rankin um.
Sein Herz begann ihm heftig gegen die Brust zu hämmern und langsam wich er zurück.
Oh, Gott, steh mir bei!
Pater Mitford kam aus Fjellas Privaträumen gerannt und hielt ein Buch unter dem Arm. »Laufen Sie!«, schrie er und schoss auf die Kreatur. Er traf den Hals, was aquamarinblaue Glassplitter durch die Luft fliegen ließ. Der Teufel ließ die Kiste fallen und schlug gegen das nächste Bücherregal, um es so zu Fall zu bringen. Wie eine Dominokette schlug es gegen zwei wei­tere Regale, bis die Lawine Pater Mitford, der zur Tür fliehen wollte, erreichte und ihn zum Ausweichen zwang.
Bücher und Holz flogen umher und versorgten das Feuer mit noch mehr Nahrung. Eine unerträgliche Hitze breitete sich aus und brennende Papierstücke flogen durch die Luft.
Der Teufel wurde von einigen der fliegenden Glutfetzen getroffen, wich respektvoll zurück und schlug nach der Glut.
Es tut ihm weh, dachte Rankin gehetzt.
Pater Mitford versuchte über die Bücher hinweg zum Ausgang zu lau­fen, was die Aufmerksamkeit des Angreifers weckte. Wie ein hungriges Raubtier trieb er den Pater mehr und mehr in die Ecke.
»Pater!«
Mitford stürzte über Bücher, schaffte es aber noch mit dem Revolver zu zielen und der Kreatur aus nächster Nähe in die linke Wade zu schießen. Die Kugel riss eine tiefe Kerbe, wie ein wuchtiger Axthieb, doch der Teufel schien davon gar nichts zu spüren. Er holte aus und schlug seine Krallen in Mitfords Bauch. Der alte Mann schrie markerschütternd, als ihm die Soutane samt Bauchdecke weggerissen wurde und Eingeweide über die brennenden Bücher spritzten. Es zischte und ein grauenvoller Gestank breitete sich aus.
Rankin stürzte zu Boden und kroch in Sicherheit. Völlig entsetzt von dem Schauspiel wusste er nicht, was er tun oder wohin er fliehen sollte. Die Hitze des Feuers schloss ihn ein, das Blut und der nahende Tod kreis­ten um seinen Verstand, sodass er kaum merkte, wie er sich an einem schwelenden Buch die Finger verbrannte.
Sein Kopf war leer und er konnte nur zu der pulsierenden roten Masse sehen, die dem Pater aus dem Körper ragte. Daneben stand die schwarze Silhouette, die sich vor der Feuerwand abhob. Sie ließ die blutigen Fetzen zu Boden fallen und drehte sich zu Rankin um.
Grün-blau leuchtende Flüssigkeit tropfte dabei von der Wade zu Boden. Fast so, wie schmelzendes Eis in der Sonne.
Das Monstrum schmolz! Feuer! Es ertrug kein Feuer!
Rankin robbte rückwärts, weg von dem Ding. Dabei verbrannte er seine Soutane und stieß mit dem Rücken gegen ein Regal. Geduckt, wie ein Jäger auf der Pirsch, kam der Teufel auf ihn zu und ließ die Krallenhände angriffslustig zucken. Panisch sah sich Rankin um. Er musste Feuer zwischen sich und den Teufel bringen! Nur zwei Schritt entfernt hing eine Petroleumlampe und so schnell er konnte, sprang er auf, riss sie von der Wand und warf sie der Kreatur vor die Füße, wo der Behälter zerplatzte und Lampenöl das angeschossene Bein benetzte.
Durch die brennenden Papierstücke entzündete sich das Petroleum au­genblicklich. Der Teufel schlug blindlings um sich, im Willen, die lecken­den Flammen an seiner Hose zu löschen. Er riss sich die schwelenden Lederfetzen von den Beinen und verhinderte ein Übergreifen der Flam-men auf die weiteren Kleidungsreste. Einen erneuten Angriff wagte er nicht, da nun auch aus den zahlreichen kleinen Schusswunden erste Tropfen grünblauer Flüssigkeit sickerten. Er besann sich auf sein eigent-liches Ziel – die Kiste – nahm sie an sich und floh damit zurück in die Gewölbe, ohne Rankin weiter zu beachten.
Dabei zog er eine dünne, grünblaue Spur hinter sich her.
Erleichterung empfand Rankin in dem Moment aber nicht, denn er sah wieder zu Mitford.
Pater. Oh, Pater. Ein Schluchzen entwich ihm und er kroch trotz der sich ausbreitenden Hitze zu dem Leichnam. Das Buch, das er hatte retten wollen, lag neben seinen Händen. Ohne darüber nachzudenken, nahm Rankin es an sich.
Mehr konnte er nicht tun, denn die Hitze des Feuers rötete seine Haut und die Luft wurde knapp. Hustend und keuchend taumelte Rankin hin­aus, wo ihm die glimmenden Tropfen, die der Teufel hinterlassen hatte, den Weg durch den Qualm wiesen.
Sie führten durch das Gewölbe und hinab in die Katakomben. Wenn der Teufel nicht aus irgendeinem der Gräber entstiegen war, musste es dort einen geheimen Zugang geben.

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